Zusammenkunft zwischen dem Manne und dem Weibe
Autor: Baccalaureus Eucharius Trutzbacher zu Aufenau
Abhandlung des Apothecarius und Baccalaureus Eucharius Trutzbacher zu Aufenau über die Zusammenkunft zwischen dem Manne und dem Weibe
Ist die Frau in Vereinigung mit dem Manne, so kündet die Wärme in ihrem Gehirn, die das Lustgefühl in sich trägt, den Geschmack dieses Lustgefühls bei der Vereinigung vorher an, wie auch den Erguss des Samens. Ist der Samen an seinen Ort gefallen, dann zieht ihn die eben erwähnte, sehr starke Wärme des Gehirns an sich und hält ihn fest. Fast gleichzeitig damit ziehen sich auch die Nieren des Weibes zusammen und alle die Teile, die während des Monatsflusses zur Öffnung bereit stehen, schließen sich zur selben Zeit so fest, wie wenn ein starker Mann irgendeinen Gegenstand fest in der Hand verschließt. Dann mischt sich das Monatsblut mit dem Samen, macht ihn bluthaltig und lässt ihn zu Fleisch werden. Nachdem er zu Fleisch geworden ist, umgibt dasselbe Blut dies mit einem Gefäße, so wie ein Wurm, der aus sich selbst heraus sich eine Behausung bildet. An diesem Gefäße arbeitet das Blut von Tag zu Tag weiter, bis sich ein Mensch in ihm gestaltet und derselbe Mensch den Lebenshauch aufnimmt. Dann wächst es mit demselben Menschen weiter und wird so fest gelagert, dass es bis zum Austritt dieses Menschen sich nicht von seiner Stelle verrücken kann.
Wenn ein Mann mit dem Erguss eines kräftigen Samens in rechter Liebe und Zuneigung zum Weibe sich diesem naht und das Weib zur selben Stunde ebenfalls die rechte Liebe zum Manne empfindet, so wird ein männliches Kind empfangen, weil dies so von Zei (und der großen Erdmutter) so angeordnet ist. Dieser Knabe wird klug und reich an Tugenden werden, weil er empfangen wurde mit kräftigem Samen und bei der richtigen gegenseitigen Liebe und Zuneigung. Fehlt aber dem Weibe die Liebe zum Manne, so dass nur der Mann zu dieser Zeit das rechte liebende Verlangen zum Weibe hat und das Weib nicht zum Manne, so wird gleichwohl ein männliches Kind empfangen, wenn der Samen des Mannes kräftig ist, weil das Liebesgefühl des Mannes die Überhand hat. Dieser Knabe wird aber schwächlich sein und keine tüchtigen Eigenschaften besitzen, weil hier dem Weibe die Liebe zum Manne fehlte. Ist der Samen des Mannes schwach, hat dieser gleichwohl Liebe und Zuneigung zum Weibe und dies die gleiche Liebe zu ihm, so wird ein tugendreiches weibliches Kind gezeugt. Empfindet nur der Mann Verlangen zum Weibe und dies nicht zu ihm, oder fühlt nur das Weib die rechte Liebe zum Manne und dieser nicht zu ihm, ist zur selben Stunde der männliche Samen dünn, so entsteht, weil dem Samen die Kraft fehlt, daraus ebenfalls ein Mädchen. Ist aber der Samen des Mannes vollkräftig, hat aber trotzdem weder der Manne zum Weibe noch das Weibe zum Manne die gegenseitige liebende Zuneigung, so wird ein Knabe gezeugt, weil trotzdem der Samen seine Vollkraft hatte. Er wird aber ein unangenehmer Mensch werden wegen der gegenseitigen Abneigung der Eltern. Ist aber der Samen des Mannes dünn und fühlt zur selben Stunde keiner von beiden Liebe und Zuneigung zum anderen, so wird ein Mädchen von unerfreulichem Wesen gezeugt. Die Wärme solcher Frauen, die von Natur fettleibig sind, überwältigt den Samen des Mannes, daher häufig das Kind im Gesicht solchen Frauen ähnlich wird. Solche Frauen aber, die von Natur mager sind, bringen zumeist Kinder zur Welt, die in ihrem Antlitz dem Vater gleichen... Bei zunehmendem Mond, wenn auch die Zunahme des Blutes im Menschen vor sich geht, ist der menschliche Samen kräftig und stark, und bei abnehmendem Mond, wenn auch das Blut im Menschen abnimmt, ist der menschliche Samen schwach und ohne Kraft, wie Hefe und deshalb minderwertiger zur Hervorbringung von Nachkommenschaft. Hat ein Weib um diese Zeit empfangen, sei es, dass es ein Knabe oder ein Mädchen geworden ist, so wird ein solcher Mensch unkräftig, schwächlich und nicht besonders tüchtig sein.
(im Original von Hildegard von Bingen)
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