Handelsroute 1
Wälder von Westend
Allerland

Korrespondenz von Eugen von der Wacht an seine Verlobte, Barbara von Bieberberg im Blabor 1203:

Liebste Barbara,
Noch immer brennt meine Hand in Erinnerung an die sanfte Berührung der Deinen wohlig.
In Gedanken an Dich schlägt mein Herz schneller, der Blick Deiner braunen Augen folgt mir im Wetteifer mit dem Glanze der Sterne in meinen Schlaf hinein.
Nach dem harten Ritt der letzten zwei Tage erreichte ich am gestrigen Abend das Flüsschen Anor, welches die Hausener Lande von der Grenzmark trennt. Von seinem sanften Plätschern und dem Gesang der Vögel wurde ich auf meinem Land begrüßt. Bald sah ich dann auch die Häuser des Weilers Breit, wie sie sich an den Wald schmiegten. Breit ist eine der vier Gemarkungen der Grenzmark und das Lehen, welches mir von meinem Vater gegeben ward. Bei meiner Ankunft wurde ich freudig begrüßt und die nötigen Belange mit dem Dorfschulzen waren schnell erledigt.
Strahlend taucht die Sonne das Land heute in ein helles Kleid, nur noch an wenigen Stellen glänzt weißer Schnee durch die Bäume und das Laub des letzten Herbstes scheint gülden.
Warm wird mein Herz bei dem Gedanken, Dir bald diese Schönheit zu zeigen, auf das die Deine mit ihr wetteifern und sie krönend abschließen kann. Mögen meine Zeilen Dir das Herz für dieses wundervolle Land öffnen, auf das auch Du vielleicht eines Tages dieses Land so sehr lieben kannst wie ich selbst.
An mir war es heute Morgen, einen Streitfall zu schlichten, zwei Bauern behaupteten beide, ein Ferkel sei das ihre. Hoch ging es her, der Streit hielt das ganze Gasthaus in Atem und so beschloss ich, die Muttersauen entscheiden zu lassen und siehe da: Der einen war das Ferkel gänzlich egal, während die andere es liebevoll bemutterte, so konnte der Fall schnell beigelegt werden.
Nun werde ich mich eilen, Aufenau und die hohe Wacht bis zum Abend zu erreichen um mich dem drohenden Untier des Verbotes zu stellen, welches so verhängnisvoll über uns kreist. Doch bin ich sicher, meinen Vater erweichen zu können, so dass ich schlussendlich nach Bürgel reisen kann um bei Deiner Familie um Deine Hand anhalten zu können.
In teurer Liebe verbleibt
Dein
Eugen von der Wacht

Liebste Barbara,
kalt sind die Nächte noch immer hier im Norden, doch die lodernden Flammen der Liebe zu Dir züngeln ungestüm und der Kälte zum Trotz. Hier, auf der Hohen Wacht, welche stark über dem rüstigen Städtchen Aufenau thront, schreibe ich der Dame, der mein Herz gehört, der Frau, von der ich weis, dass sie die Herzen aller hier ebenso im Fluge erobern wird, wie sie das meine erobert hat. Du wärest die erste, die seid dem Bestehen der Grenzmark, seid nunmehr mehr als zweihundert Jahren, diese wehrhafte Stadt mit ihren engen Gassen und den hohen Mauern für sich gewinnt. Hier auf dem Stammsitz unserer Familie hoffte ich meinen Vater anzutreffen, doch musste ich erfahren, dass er in Dreieichen zur Jagd weilt, zusammen mit dem Ritter Kuno von Dreieichen, meines Knappen Tiberius Vater, dem Bezwinger der Bestie, welche die Grenzmark vor Jahresfrist in Aufruhr hielt. Gleich einem riesigen Bären war sie, jedoch mit flammend roten Augen und Fängen und Klauen aus Stahl, Zei allein weis, was den Herrn der Finsternis bewogen haben kann, so eine Kreatur zu schaffen.
In Glaubensfragen wird Dir die Grenzmark ungewohnt, ja vielleicht fremd erscheinen. Auch hier verehren die Menschen Zei, den Herrn des Lichtes, jedoch gilt er hier als mächtiger Kriegsgott, welcher uns vor dem Herrn der Finsternis und seinen Kreaturen, besonders der Orken, schützt, sie mit Blitz und Donnerschlag vernichtet.
Trotz der häufigen Kämpfe ist hier in Aufenau der Tempel nicht dem Heiligen Roger, sondern dem Heiligen Roman geweiht, im vertraut man sich an, bittet ihn um Schutz und Segen.
Um der Heilung Willen jedoch beten die Menschen die Erdmutter an, so wie die Sonne für Zei steht, steht für sie der Mond. Sie gewährt Fruchtbarkeit und den Segen der Natur.
Einmal im Jahr vollziehen in der Grenzmark die Priesterinnen der Erdmutter und die Priester Zeis rituell die Große Ehe, welche dem Land Fruchtbarkeit schenken soll. Unser Priester auf der Hohen Wacht, der alte Bruder Gerenoth wird jedoch in diesem Jahr wohl nicht daran teilnehmen, er wird immer sonderbarer im Alter, Tiberius hat mir sogar unlängst erzählt, Bruder Gerenoth habe seid einem halben Jahr selbst keinen Zeidienst mehr gehalten.
Nun sattelt Tiberius Blitz und Donner, die beiden mächtigen Rappen, die mein Vater uns zu reiten erlaubt, auf das wir uns an die großen Rösser gewöhnen können, welche hier in der Grenzmark so selten sind. Ich glaube, es gibt in der ganzen Mark kaum eine Handvoll guter Schlachtrösser, die stämmigen Grenzmarker Ponys mit ihrer bekannten Ausdauer und ihrer Trittsicherheit leisten hier seid Jahrhunderten treue Dienste.
Ich hoffe, Du fasst mein Verweilen hier nicht als Zögern auf, nichts läge mir ferner, so sehr zieht es mich in Deine Nähe zurück, doch wollte ich Dir diese Zeilen hier noch unbedingt zukommen lassen.
In teurer Liebe verbleibt
Dein
Eugen von der Wacht

Liebste Barbara,
Bleich scheint der Mond durch das nächtliche Fenster, weiß und klar, fern wie er scheinst Du mir gerade, doch von gleicher edler Schönheit.
Nun hast Du in meinen Gedanken und meinem Herzen die Grenzmark mit mir gemeinsam bis zum Weiler Dreieichen durchreist, welcher wohl der nördlichste Ort Wenzingens ist. Allein die drei trutzigen Warten am Orkenwall und der alte Tempel in der nun im Orkland liegenden Gemarkung Nieder-Orken liegen nördlicher. Hier sind die dichten Wälder der Mark noch am urtümlichsten erhalten und die alten Geschichten um Feen und Grüne Männer scheinen greifbar, die Wilde Jagd des Finsteren Jägers scheint hier nicht nur einmal im Jahr vorbeizupreschen.
Der gute Tiberius überbringt Dir diesen Brief persönlich, ich selbst werde wohl keinen ganzen Tagesritt hinter ihm sein. Schon ist Donner aufgezäumt, sein unruhiges Drängen gleicht dem meines Herzens, jetzt, da ich meinem Vater unser Anliegen vorbringen konnte.
Nun trägt mich jeder Schritt Donners näher an meine Bestimmung heran, was auch immer sie mir bringen mag. Ich danke Dir für die Offenheit Deines Briefes, sehe ich doch nun, wieviel wir noch besprechen müssen.
In teurer Liebe verbleibt nun nicht mehr fern
Dein
Eugen von der Wacht



Die Bitte eines Vaters

SitemapKontaktImpressum